Zwischen Schmerz und Resonanz: Rückblick auf BROKEN ECHOS
- andreageipel

- vor 2 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Eine Woche nach der zweiten Präsentation von BROKEN ECHOS nehme ich mir Zeit und schaue zurück. Die Tage danach war ich von einer Migräneattacke außer Gefecht gesetzt – eine bittere Ironie und zugleich eine deutliche Erinnerung daran, warum dieses Projekt überhaupt existiert. Für mich war diese Installation aus unterschiedlichen Grünen bedeutsam: als künstlerischer Prozess, als persönliches Wagnis und als Einladung zum Austausch über eine Erkrankung, die so viel Raum einnimmt und doch so wenig sichtbar ist.

Die Idee zu BROKEN ECHOS begann mit den Listening Sessions, ein Projekt von umraum e.V., gefördert von der Stadt Kiel. Für mich war die Zusammenarbeit mit DJ Sibbedaiah neu, herausfordernd, aber vor allem inspirierend. Sehr früh wusste ich: Wenn ich diesen Rahmen nutze, dann für Migräne. Die Hämmer, die später von der Decke hängen sollten, waren eines der ersten Bilder, die sich in meinem Kopf formten. Sie stammen aus dem Nachlass meines Vaters – ein Alltagsobjekt, das plötzlich zu einem Träger von Erinnerung wurde: ein Echo von Schmerz, ein Symbol familiärer Weitergabe, ein Gegenstand zwischen Körperlichkeit und Geschichte. Parallel dazu passte das Videobild der überlagernden Wellen, deren verlangsamte Schichtung das Gefühl der Isolation beschreibt, das mich während einer Attacke begleitet. Dazu kamen zwei digitale Zeichnungen auf Leinwand – Elemente, die im Prozess ihren Weg zueinander fanden, manchmal überraschend, manchmal gegen meine eigenen Pläne.
„Trust the process“ wurde dabei weniger ein Motto als eine echte Übung. Die Zusammenarbeit mit DJ Sibbedaiah fügte dem Ganzen eine neue Dimension hinzu: Vier Stunden Livemusik, angelehnt an den Verlauf einer Migräne – von Reizüberflutung über Schmerz bis in den Zusammenbruch und die Erschöpfung. Schnell war klar: Diese Installation würde sich körperlich anfühlen. Sie würde fordern. Und ich musste mich darauf einlassen, dass ich nicht alles kontrollieren konnte.
Auch organisatorisch war BROKEN ECHOS ein Lernfeld. Es gab keinen bestehenden Veranstaltungsrahmen, kein Laufpublikum, keine Strukturen, die im Hintergrund schon funktionierten. Alles musste ich selbst denken: Kommunikation, Gestaltung, Akquise, Aufbau. Zu wenig Flyer, dann zu viele; Postkarten, die zu spät ankamen; Dauerregen und Sofawetter.

Und trotzdem: Zum zweiten Termin erschien eine Ankündigung im Kiel-Magazin und eine Empfehlung im Kompass Kiel (Vielen Dank dafür, an dieser Stelle!). Fast dreißig Menschen kamen – trotz Regen, Dunkelheit, Kälte. Manche mit weiter Anreise. Besonders gefreut haben mich Anni von „Migräne Du Arsch!“ und Ivonne Grimm von der Migräneliga e.V.: zwei Menschen, die sich intensiv mit dem Thema befassen und deren Besuch für mich ein Zeichen war, dass Kunst und Aktivismus hier miteinander sprechen dürfen.
Doch am meisten bewegt hat mich der Austausch im Raum. Besucher:innen, die die Installation kaum fünf Minuten aushielten, weil Sound und Licht „zu viel“ waren. Für mich war das kein Scheitern. Im Gegenteil: Genau dieses „zu viel“ ist Migräne – nur dass ich während einer Attacke nicht einfach gehen kann. Gerade die Resonanz der Besucher:innen hat mir gezeigt, wie unmittelbar die Installation wirkt. Eine Person sagte nach dem Betreten des Raums, die Kombination aus Sound, Licht und Enge fühle sich „genau so an wie Migräne“ – ein Moment, in dem Kunst und Erfahrung deckungsgleich wurden. Eine andere betonte, wie wichtig es sei, diesem unterrepräsentierten Thema endlich Raum zu geben.

Zwölf Besucher:innen hinterließen persönliche Echos an den Wänden. Dabei hinterließen nicht nur Menschen mit Migräne, sondern auch Nichtbetroffene ihre Gedanken. Es ging um Verständnis, Wut, Dankbarkeit und gegenseitigem Zuspruch. Genau in diesen Worten steckt der Dialog, den ich mir gewünscht habe: Verständnis, Perspektivwechsel, Geteiltes. Und die Erkenntnis, wie unsichtbar Migräne im Alltag bleibt. Diese Stimmen haben mich darin bestärkt, Migräne nicht nur sichtbar zu machen, sondern erfahrbar – nicht als medizinische Erklärung, sondern als körperliche, emotionale Sensation. Als Raum, den man betritt und den man vielleicht zu schnell wieder verlassen möchte.
Denn unsichtbare Erkrankungen brauchen Räume, die sie sichtbar machen.Und BROKEN ECHOS war für mich erst der Anfang.
Hier geht es zu BROKEN ECHOS in meinem Portfolio. Und in meinem ersten Blogtext findest Du noch weitere Informationen zu BROKEN ECHOS.













Kommentare